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Warum also nicht mit der Biosphäre die Rolle tauschen?

Ich bin jetzt (2022) 69 Jahre alt. Das Beste, was ich im Leben gelernt habe ist das Psychodrama und damit zusammenhängend das Playback Theater. Und zwar, weil man damit auf eine leichte Weise komplexe Zusammenhänge handhabbar machen kann, ohne sie zu vereinfachen oder zu reduzieren. Ich habe damit in der Erwachsenenbildung und als Supervisor gearbeitet und gute Erfahrungen gemacht. Ob es der Chef oder die Kollegin, die Klientin oder ein sachliches Problem waren – die Darstellung auf der kleinen „Bühne“ im Gruppenraum und damit verbunden auch der Rollentausch mit diesen „Größen“ können viel verändern.

Warum also nicht mit der Biosphäre die Rolle tauschen? Die Idee lässt mich nicht mehr los. Ich stelle sie Kollegen vor und die meisten finden sie unterstützenswert. Zu dritt machen wir ein erstes Seminar. Es beginnt mit einer Zeitreise über 4 Milliarden Jahre, denn die Biosphäre entstand im Verhältnis gesehen schon früh nach der Entstehung der Erde mit ersten Mikroorganismen. Ein Musiker begleitet uns durch die Zeitreise. Ich habe einen Sternenhimmel gestaltet und unter die Decke gehängt die Teilnehmer liegen auf dem Boden und in den Textpausen bewegen sich einige zur Musik. Weitere Arbeitsformen schließen sich an. Im Laufe des Seminars ist jeder einmal „Biosphäre“ gewesen. Sehr beeindruckend für viele war das Erlebnis der Vitalität in diesem Rollenwechsel.

In einem anderen Seminar spielen wir Zukunft. Menschen haben es in dieser „Zukunft“ schwer. Sie kommen kaum vor. Zunächst nur als Erinnerung in einem Museum. Atomare Verseuchung macht sich breit. Die künstliche Intelligenz hat sich über die Erde ausgebreitet und den Menschen überflüssig gemacht. Eine Mutter mit einem Kind hat ein Biotop gefunden, in dem sie mit anderen überleben kann.
Die düstere Stimmung ist nicht verwunderlich, denn vor einigen Tagen hatte der Krieg in der Ukraine begonnen. In der Reflexion wird dieses Biotop bedeutsam. Es wird unsere Hoffnungsbegriff. Wir verstehen, wie wichtig es ist für uns sein wird, solche Biotope zu pflegen, indem wir uns Ihnen zur Verfügung stellen.

Seitdem mache ich jeden Morgen eine Übung. Ich stelle mich vor meine Balkontür mit dem Blick nach draußen und frage: „Biosphäre, wofür soll ich heute in meinem Biotop zur Verfügung stehen?“ Dann stelle ich mich mit dem Rücken zur Balkontür und antworte als Biosphäre. Ich gehe zurück auf meinen Platz und verneige mich vor der Biosphäre.

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